Trotz Hyperinflation wird eine Glocke beschafft
100 Billionen Papiermark sind 1924 - 100 Rentenmark
Sylvester Schmid war durch den ersten Weltkrieg doppelt geschädigt. Zum einen wurde er als Landsturmmann zur lebensbedrohlichen Teilnahme als Soldat verpflichtet, zum anderen hatte er, wie alle Deutschen zwischen 1914 und 1923, wegen der Tilgung immenser Kriegsschulden sich mit dem täglichen Kaufkraftverlust auseinanderzusetzen.
Die Lebensmittelversorgung bereitete den Bauern weniger Sorgen, schwieriger wurde es aber dann, wenn etwas Außergewöhnliches angeschafft werden sollte, wie eben die Glocke für die Kapelle. Sie wurde im Juli 1923 in Villingen bestellt und mit Lebensmitteln und 7,8 Millionen Mark anbezahlt, was dem Hofbauer fast zum Verhängnis wurde. Nachdem die versprochenen Liefertermine nicht eingehalten wurden, erhielt Sylvesters Schwester von einem Arbeiter des Villinger Glockenherstellers Grüninger & Söhne den Hinweis, dass das Glöcklein längst fertig, aber eben noch nicht teuer genug sei.
Am 17. Oktober entschloss sich Sylvester zu handeln. Mit dem 1. Frühzug fuhr er nach Villingen, wurde lange hingehalten, bis ihm nachmittags der neue Preis im Bereich von Milliarden genannt wurde. "Aber woher sollte ich diese Summen aufbringen, weil ich Milliarden kaum kannte, geschweige solche besaß." Hätte er auf den Kauf verzichtet, wäre auch seine Anzahlung weg gewesen. Bedenkzeit wollte man ihm keine einräumen, am Folgetag musste der Betrag bezahlt sein.
In diesem Wissen entschied er sich die Glocke per Schubkarren durch Villingen zum Bahnhof zu schieben, wo ihm die Mitfahrt zunächst verweigert wurde. Mit dem letzten Zug erreichte er mit seiner Glocke, aber mit großer Sorge wegen der Geldbeschaffung Hausach.
" Mit schweren Schritten begab ich mich in das altbewährte Haus Schmider, Hosenträgerfabrik, in welchem mir die Hauptlast meiner Todsünde abgenommen werden konnte. In der Frühe des nächsten Sonntagmorgen ging die Geldsuche wieder los und fand garbald das noch Fehlende von einer anderen guten Familie, der Bäckerei Karl Lehmann, Sägebeck "
Die Beschaffung des noch fehlenden Reliquiensteins kostete dagegen nur 15 DM. Der Tag der Einweihung der Kapelle, das "Endziel der vielen Mühen und Sorgen", konnte nun am 04. Juni 1924 festgelegt werden.
Text/Bild: Bernd Schmid