Nachruf auf ein Hausacher Original
Max Gäbele, der Spitäler
Originale sind Menschen, die durch ihr Wesen, ihr Auftreten in der Gesellschaft, aus der eher grauen Masse einer Gemeinde herausragen. Ihre Glanzzeiten erlebten sie, als die Massenmedien mit ihrer Information und Unterhaltung noch nicht Tag und Nacht auf die geduldige Menschheit herniederprasselten. Da sorgten diese Sonderlinge für Abwechslung und Heiterkeit. Wenn dann ihre Geistesgaben nicht gerade besonders ausgeprägt waren, sie kein geborgenes Zuhause hatten und so der Allgemeinheit zur Last fielen, wurden sie ins Spital abgeschoben.
Ein solcher Außenseiter war der »Gäbele Max«, der im »Städtischen Krankenhaus«, dem Nachfolger des Spitalers, in einer kleinen Dachstube hauste. Dort wurde ihm Kost und Logis gewährt und von den Ordensschwestern betreut. Dafür musste er sich aber auch mit den ihm gegebenen Kräften nützlich erweisen. Deshalb trottelte er täglich mit einer Milchkanne auf dem Kärrele durchs Städtle, um die für das Krankenhaus benötigte Milch zu holen. Da Kinder gegen Schwächere auch recht unbarmherzig sein können, hänselten sie den Spitäler wegen seines Kropfes und riefen ihm nach: " Knopf, Kropf, Kropf " Dann rannte er den kleinen Spöttern nach, die er wohl selten erwischte.
Ein zusätzliches Vesperbrot, ein wenig »Sackgeld« erbettelte er sich, in dem er den ihm bekannten Namenstagskindern einen Blumenstrauß brachte, dessen Blumen meist in fremden Gärten wuchsen. Wenn ihm das dargebotene Essen nicht reichte, dann suchte er bei der. Mahlzeit der Kranken satt zu werden. Als ihn einmal die Schwester Oberin zur Mittagszeit in einem Krankenzimmer erwischte, herrschte sie ihn an, was er hier zu suchen habe ? Missmutig entgegnete er ihr: "Des goht di ä Dräck a, i bi scho vor dir do gsi! " Allen Menschen; denen er um Neujahr begegnete, wünschte er ein langes Leben und einen baldigen Tod. Allerdings bekam er dabei Konkurrenz vom oberen KinzigtaL Da tauchte nämlich in den Wirtsstuben ein Männlein auf und sang voll Inbrunst: "Tling, Tlöckchen, lingetlingeling, tling, Glöckchen tling..." Der Gesang endete mit einem eigenen Beifallklatscher und dem "Bravo, Bäch vu Schilte!"
Eier durften auf seinem Speisezettel nicht erscheinen, da die Hühner ja auch Würmer fressen würden. Verständlich, dass es ihm nie gelang, eine Frau zu betören, gar zu heiraten. Trotzdem schmückte er seine Finger mit Vorhangringen. Gegen ein bescheidenes Trinkgeld erledigte er auch bei den Bürgern kleinere Arbeiten. Als er einmal des Lebens überdrüssig geworden war, beschloss er, den Gutacher Tod zu sterben, sich mit dem Seil zu erschießen oder im Hanf zu ersticken. Wie erschrak die Schwester, als sie die Tür zur Waschküche öffnete und den Gäbele Max im Seil hängen sah. Allerdings hatte er es um den Bauch gebunden. Der Schwester aber erklärte er: "Hät i mir des Seil um de Hals bunde, no hät i jo nimmi schnufe kenne un wär vestickt un, des kaibe Seil hält mi au no am Hals kitzelt "
Dem Totenbuch ist zu entnehmen, dass der Max Gäbele, als lediger Spitäler im Alter von 79 Jahren, an Altersschwäche, versehen mit der "letzten Olung", am 20. Januar 1924 verstorben ist.
Ein liebenswertes Original, das man »nicht hassen musste«, hatte das Städtle für immer verlassen und "bis Bose Hänne" - im Schatten der Dorfkirche - die letzte Ruhe gefunden.
Text/Bild: Kurt Klein
Digitale Bearbeitung: Bernd Schmid