Gründung des Gesellenvereins / Kolpingsfamilie
Der „kath. Gesellenverein“ Die Kolpingfamilie: Der größte Hausacher Verein wurde 1938 von der NSDAP aufgelöst.
Am 22. November 1911 wurde in Hausach der katholische Gesellenverein gegründet. Pfarrer Brunner wollte im Dachverband der Kolpingfamilie Lehrlinge und Gesellen vor Ort einbinden. Als Vorläufer hatte er schon den Jünglingsverein gegründet, der im Gesellenverein mit den Prinzipien der Jugendpastoral des Adolf Kolping aufgehen sollte.
22 junge Handwerkergesellen schlossen sich mit Unterstützung des Kaplans Alfred Spitznagel und Hauptlehrer Schwarzhans unter dem Leitspruch „Gott segne das ehrbare Handwerk“ zusammen. Treibende Kraft war der Schustergeselle Leo Ruprecht vom Schuhhaus Oberle, der in der Gründungsversammlung gleich zum „Senior“, zum Vorsitzenden, gewählt wurde. „Ordner“ (Vorstandsmitglieder) waren Kontorist Fritz Schweitzer, Blechner Geselle Hermann Armbruster, Knecht Albert Lehmann und Briefträger Hermann Lehmann.
Das Protokollbuch, das heute in der Bibliothek des städt. Museums steht, dokumentiert das Vereinsleben bis zur letzten Generalversammlung am Palmsonntag, den 2.April 1939. Gottfried Wölfle,der letzte Vorsitzende, Kaplan Ernst Würth Stadtpfarrer Brunner und 11 weitere mutige Mitglieder lösten in Anwesenheit der örtlichen NS, den Kath. Gesellenverein nach fast 30 gelungenen Vereinsjahren auf.
Schon in den ersten Vereinsjahren waren nahezu alle männlichen Hausacher Handwerker- und Lehrlinge dem neuen Verein beigetreten.
Eugen Jehle wies kurz vor seinem Ableben darauf hin, dass diese alte Hausacher Jugendbewegung es wert sei, durch eine Gedenktafel am Handwerkerbrunnen geehrt zu werden.
Das erste große Ereignis in der jungen Vereinsgeschichte war am 24. Mai 1914 die Fahnenweihe, zu der vorab der 1. „Fähnrich“ Joseph Sahr mit den Begleitmännern Fritz Heizmann und Martin Zimmermann gewählt wurden.
In Erwartung eines für Hausach riesigen Festes waren neben Stadtpfarrer Brunner die Herren Dr. Vieser, Direktor Rosenthal, die Fabrikanten Schmieder, Pfaff und Wolber, Bürgermeister Rist. Blechnermeister Seeholzer, Ratschreiber Stehle, Kaufmann Renner, Eisenhändler Schmid, Stadtmüller Uhl und Bürgermeister Schuler aus Einbach im Festausschuss für das Gelingen des Festes verantwortlich, an dem sich 39 Gesellenvereine beteiligten.
Der erste Weltkrieg traf den jungen Verein. 9 Mitglieder kehrten nicht mehr aus den Kriegshandlungen. Als erstes traf es den gewählten „Fähnrich“ (Fahnenträger) Josef Sahr und der erste „Senior“ (1. Vorstand) den Schustergesellen Ruprecht.
1918 wurde Kaplan Spitznagel versetzt. Es folgten als Präses die Kapläne Gaier, ab 1921 Vikar Amann, 1927 Vikar Müller, und Vikar Stiegeler. Jeder junge Geistliche setzte in der Betreuung des Vereins eigenen Akzente. Während Amann das Theater- und Rollenspiel förderte war es seinem Nachfolge wichtig, glaubenstreue Gesellen um sich zu versammeln, die ihre religiösen Pflichten erfüllten und an Exerzitien teilnahmen. Dem Nachfolger Vikar Ohlhäuser war der sportliche Aspekt wichtig. Die Unterabteilung DJK (Deutsche Jugendkraft) zeigte mit den von der Fa. Schmider beschafften Sportgeräte erstaunliche Leistungen.
Auf der Wanderschaft durchreisende Gesellen, die Mitglied des Gesellenvereins (Kolpingfamilie) waren erhielten in Hausach von den Gesellen Unterkunft und Essen.
Ab dem Jahre 1933 galt auf staatlicher kommunaler Ebene und in allen Vereinigungen das „Führerprinzip“ Es musste auch in der Kolpingfamilie ein „Führer“ gewählt werden. Erster Führer der Aktiven des Vereins war Friedrich Brenkmann. Er musste seine Mitarbeiter „ernennen“. Schriftwart wurde Richard Dietmaier, Kassenwart Karl Waidele, Sportwart Franz Sonntag, für die durchwandernden Gesellen waren der „stellvertretende Führer“ Otto Heinzmann zuständig. Schon in der folgenden Sitzung am 8.11.1933 besuchte NSDAP Ortsgruppenleiter Hackelberg die Versammlung des Gesellenvereins.
In den folgenden 6 Jahren nahm die Zahl der aktiven Mitglieder von 30 auf wenige Mutige ab. „Eine Tätigkeit nach Außen ist uns nicht mehr möglich“, vermerkte Schriftführer Helmut Leib am 19.4.1937 im Protokollbuch. „Daher muss die innere Arbeit, die Bildung jedes Einzelnen im Geiste Kolpings gefördert werden.“ Die geschrumpfte Zahl aktiver Mitglieder (16) einigte sich auf den Leitsatz, der in seiner Formulierung mit der Ideologie des NS-Regimes kaum vereinbar war. „Jeder katholische Kolpingsohn verwirkliche sich selbst, als werdender religiös sittlicher Charaktermensch, trotz Glaubensnot und Reinheitsnot!“ Die wöchentlichen Treffen schlossen nie mit „Heil Hitler“ sondern mit „Treu Kolping“.
Seit dem 18.Juli 1937 traf sich der Gesellenverein nicht mehr öffentlich in „der Krone“ sondern im selbst gebauten Pfarrheim hinter dem alten Pfarrhaus.
Am 23.2.1938 wird von Helmut Leib die letzte Veranstaltung der Kolpingfamilie im Pfarrheim protokolliert. Es war eine Fastnachtsveranstaltung. Am Palmsonntag, den 2.4.1939 wird der Gesellenverein aufgelöst. Anwesend ist der Ehrenpräses Stadtpfarrer Brunner, der Senior Gottfried Wöfle mit den letzten 11 mutigen verbleibenden Mitgliedern und 2 „Gästen“ (NSDAP).
Das von der NS als Nachweis benötigte Auflösungsprotokoll wurde vom letzten Präses Kaplan Ernst Würth sehr nüchtern gehalten und unterschrieben.
1. Die Deutsche Kolpingfamilie übergibt das Banner dem Kirchenfond Dt. Mauritius
2. Die Turngeräte werden Fabrikant Schmider zurück gegeben.
3. Das Pfarrheim gehört dem Kirchenfond.
4. Bücher und Zeitschriften gehören dem Pfarramt.
5. Betten und Waschtische werden dem Präses und Senior zur Verfügung gestellt.
6. Ein Schrank wird dem Präses zum Geschenk gemacht
Im Nachsatz, wohl nicht mehr im Beisein der „Gäste“, lobte Ernst Würth Adolf Kolping, „der den Kampf gegen den volkszersetzenden Marxismus aufgenommen und dessen Werk 100 000de verdanken, dass sie vor dieser geistigen Seuche bewahrt geblieben sind“ ! – Sein letzter Satz im Protokollbuch: „Mögen diese mahnenden Worte nicht umsonst gewesen sein. Treu Kolping“ Kaplan Würth hatte gelernt, seine Botschaft zwischen den Zeilen verschlüsselt zu schreiben.
Am 27. Januar 1946 wurde von Ernst Würth als Pfarrer und seinem Kaplan Oskar Bank eine neue Kolpingsfamilie gegründet.
Text/Gestaltung: Bernd Schmid, Quelle Protokollbuch des kath. Gesellenvereins in Hausach