Emil Gottfried Fischinger (1860-1931)
„Dr.- Ing. Ehrenhalber“ der TH Karlsruhe
Vom Hausacher Müllerssohn zum Pionier der Starkstrom- und Hochspannungstechnik
Emil Gottfried Fischinger ist Sohn des aus Dunningen stammenden Müllers Josef Fischinger und dessen Ehefrau Apollonia Schätzle, geb. Sattler, Tochter des Besitzers der Hausacher Stadtmühle. Als Paten sind im örtlichen kath. Taufbuch der Bauer Moritz Schmid, Hausach-Breitenbach und Karolina Schmider geb. Sattler eingetragen.
Recht früh beobachtete Emil in der Mühle des Großvaters wie fließendes Wasser zum Mahlen des Korns genutzt wurde. Als am 2. Juli 1866 eine Lokomotive mit Wagen erstmalig die Hausacher Bahnstation erreichte, war vermutlich auch der sechsjährige Emil Gottfried Zeuge dieses beeindruckenden Ereignisses: Schwere Eisenräder wurden mittels fauchender Kessel durch Wasserdampf angetrieben. Für ein Kind damaliger Zeit, aufgewachsen in der ländlichen Idylle des Kinzigtals, war ein solches Erlebnis außergewöhnlich, für Emil Gottfried vielleicht sogar nachhaltig prägend bezüglich seiner technischen Begabung und Kreativität.
Nach 8-jähriger Schulzeit begann Fischinger seine Ausbildung als Feinmechaniker bei der Maschinenbaufirma Anton Fauler in Freiburg. Er erfasste problemlos technisch-mechanische Zusammenhänge; die sich rasant entwickelnde Elektrotechnik vor der Jahrhundertwende faszinierte den jungen Handwerker.
Erste praktische Erfahrungen sammelte er mit dem Antrieb und der Entwicklung von Generatoren, mit deren Hilfe einfache Beleuchtungsanlagen betrieben werden konnten: Eine betriebswirtschaftliche Innovation, die Produktion und Fertigung in den Fabrikhallen und Gewerbebetrieben auch bei "künstlichen" Lichtquellen ermöglichte.
Mit 21 Jahren fand Fischinger als Mechaniker Anstellung bei der Telegrafenbauanstalt Pöge in Chemnitz, das erste elektrotechnische Unternehmen in Sachsen.
Gleichstrom – Dynamos wurden damals noch durch Auflegen eines mechanischen Riemenantriebs in Gang gesetzt. Mit der so erzeugten elektrischen Energie konnten relativ „großzügige“ Raum-Beleuchtungen ermöglicht werden. Wegen der ständigen Spannungsschwankungen brannten die noch sehr teuren Lampen häufig durch. Fischinger entwickelte schrittweise geeignetere Generatoren und leistungsfähigere Beleuchtungssysteme.
Fischingers erste Anstellung als Betriebsingenieur erfolgte 1887. Er leitete den Aufbau und die Einrichtung einer neuen „O.L. Kummer & Co. Fabrik“ in Niedersedlitz zur Herstellung von Elektromaschinen und elektrischen Ausrüstungen. 1891 konstruierte er den ersten „Gleichstrom-Nebenschluss-Generator mit Kohlebürsten“, der parallel geschaltet wesentlich effektiver war. Das Unternehmen produzierte sehr bald serienmäßig hergestellter Elektromotoren. 1894 wurde Fischinger Direktor und Prokurist dieser Aktiengesellschaft mit einer Belegschaft von über 2000 Mitarbeitern.
Aus gesundheitlichen Erwägungen (Gehör) ließ sich Fischinger 1899 als „Zivilingenieur“ in Dresden nieder. 1910 wurde ihm die Oberbauleitung der ersten 100-kV-Leitung Europas übertragen. Die Kosten für den Transport von Braunkohle und Braunkohlenbriketts von Lauchhammer zu den Stahlwerken in Riesa und Gröditz sollten mit dem neuen Projekt reduziert werden. Die Elbe musste dazu mit einem Leiterseile-Spannfeld von 272 m Länge überquert werden.
Als die erste 110 000 V- Leitung Europas in Betrieb genommen wurde notierte Fischinger: „Am 24. Januar 1912 kam unsere große Kraftanlage in Gang, und ich sah meine Lieblingsidee, dass wir mit Lauchhammerscher Energie in Risa walzten, verwirklicht.“
Die allgemeine Furcht „vor einer so außerordentlich hohen Spannung“ führte zu immer neuen baurechtlichen Auflagen hinsichtlich der Betriebssicherheit der Anlage sowie des Schutzes von Personen.
Gegen übertriebene Forderungen wehrte sich Fischinger mit trockenem Badischen Humor: „…es ist doch eigentlich ganz gleich, ob man mit 15 kV oder 100 kV totgeschlagen wird, mehr als getötet könne man doch nicht werden…“. Mit Erneuerungen und Einschränkungen war das Leitungssystem der ersten 100 kV -Leitung Emil Gottfried Fischingers bis 1964 in Betrieb und überstand somit auch die beiden Weltkriege.
Fischinger war bei aller persönlicher Leistung eher ein „Teamworker“. Er nutzte die Labormöglichkeiten der damaligen Gewerbeschule, heute TU – Chemnitz, zur Fortbildung und zum gemeinsamen Experimentieren, er war kooperativ und pflegte Freundschaft zu den wenigen Experten seiner Zeit. In Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen verlieh ihm die TH-Karlsruhe am 3. Januar 1919 die Würde eines Dr.- Ing. Ehrenhalber.
Text/Gestaltung: Bernd Schmid, Literatur: 120 Jahre VDE-Bezirksverein Dresden, Entwicklung der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnick, 2012 und Fischinger E.G. Verteilung elektrischer Energie über große Gebiete, in der elektrotechnischen Zeitschrift Nr. 34 , 1913 / siehe Quellenverzeichnis