40 Jahre nach dem Kriegsende
Ein Augenzeuge schildert das Chaos der letzten Kriegswochen in Hausach
40 Jahre nach Kriegsende erinnern sich die Hausacher an die letzten Wochen des Krieges vor der Kapitulation. Der damalige örtliche Mitarbeiter der Mittelbadischen Presse Erwin Haaser bedauerte, dass vieles im "Chaos jener Tage" nicht aktenkundig wurde. "Ans Fotografieren, so scheint es, hat damals auch niemand gedacht, so dass in Hausach keine Bilder von den Zerstörungen bekannt waren." Wilhelm Kienzle leitete in der letzten Kriegswoche die Hauptverwaltung im Rathaus. Nachträglich sammelte er Daten im Gespräch mit überlebenden Betroffenen und Augenzeugenberichten und sichtete die vorhandenen Archiv-Aufzeichnungen.
Wilhelm Kienzle erinnerte sich anlässlich des traurigen Gedenktages dennoch an viele Fakten und Details:
„Niemand konnte das über die Stadt kommende schwere Leid ahnen, als der 28. Februar 1945 in Hausach als ein von Sonnenschein begleiteter klarer Wintertag am Firmament heraufzog. Gegen 15.40 Uhr stießen feindliche Flugzeuge aus Richtung Farrenkopf auf das Städtchen herunter. Mit der Sirene wurde Fliegeralarm gegeben. Die Hausacher Bevölkerung eilte wieder in die Luftschutzräume und Keller. Aber schon nach wenigen Sekunden folgte ein Angriff auf das Brückenbauwerk bei der „Eiche". Die Bomben verfehlten ihr Ziel und schlugen in die unmittelbar am Bahndamm stehenden Häuser Engesser-Hasenfratz und Keller ein.
Offensichtlich sollte die Bahnüberführung zerstört werden, um den Eisenbahnverkehr über Hausach nach Freudenstadt, aber vornehmlich auf der Schwarzwaldbahn, zu unterbinden, nachdem der vorhergehende Angriff auf den Viadukt in Hornberg mißglückt war.
Weitere Bomben schlugen zwischen Bahn- und Kinzigdamm ein. Beide Wohnhäuser wurden vollkommen zerstört. Zu den Todesopfern zählten Paula Hasenfratz mit ihrem einjährigen Kind Christa, der Schmied Severin Bächle und die von Kehl nach Hausach evakuierte Eisenbahnerfamilie des Ladeschaffners Friedrich Geiler, dessen Ehefrau Barbara und die 23 Jahre alte Tochter Hilda sowie ein als Wachmann einquartierter Soldat. Frau Hasenfratz mit ihrem Töchterchen, die Familie Geiler und der Soldat waren auf dem Weg in den Luftschutzraum, Severin Bächle noch in seiner Wohnung. Nachbarn, Bekannte und Angehörige suchten in den Trümmern nach den Verschütteten, aber alle mußten tot geborgen werden, bis auf den Ladeschaffner. Dieser war über die Straße in die städtischen Anlagen geschleudert worden. Er starb wenige Tage später an seinen schweren Verletzungen. Alle wurden auf dem Hausacher Friedhof bei der Dorfkirche beigesetzt. Weiter darf Erwähnung finden, daß ab September 1944 bis zum Einmarsch der Franzosen am 21. April 1945 laufend Fliegerangriffe auf das Gebiet des Bahnhofs und das Areal der Mannesmann-Werke stattgefunden haben.
Dabei wurde in der Rosenstraße (jetzt Wihelm-Zangen-Straße) das sogenannte „Große Haus" der Eisenbahn, die Bahnkantine und das Haus Thum durch Brandbomben zerstört. Zum Glück war das große Haus, sonst von sechs Familien bewohnt, wegen der dauernden Beschädigungen durch Flugzeugangriffe nicht belegt. Das Los der Vernichtung ereilte am 16. April das Gasthaus „Eiche“ und ein Tag später den großen Saal des Bahnhofhotels, in dem sich das Kino befand. Beim letzten Angriff vor dem Einmarsch wurde das Gasthaus „Hirsch" in Gutach-Turm durch eine Brandbombe zerstört. Zahlreiche Gebäulichkeiten am Bahnhof und auf dem Werksareal waren ständigem Beschuß ausgesetzt und schwer beschädigt worden.
Bei den Tieffliegerangriffen sind fünf Wehrmachtsangehörige gefallen. Auch Hausacher Bürger sind bei der Arbeit an der Bahn ums Leben gekommen, und zwar Reichsbahn-Oberschaffner Johannes Moser und die Bahnarbeiter Gottfried Decker und Moritz Lehmann. Am 2. Februar wurde von der um Hausach in Stellung gegangenen Flak ein amerikanisches Flugzeug abgeschossen, wobei ein Leutnant als Pilot den Tod fand. Ein Propellerflügel wurde im Mannesmann-Gelände aufgefunden.
Ein großes Eisenbahnunglück wurde im Bahnhof Hausach am 20. Dezember 1944 registriert. Ein Proviantzug der Wehrmacht mit 43 Wagen kam von Triberg mit überhöhter Geschwindigkeit die Schwarzwaldbahn herunter. Wegen eines Bremsdefektes konnte weder das Tempo verringert noch in einer der Stationen angehalten werden. In Hausach mußte der Zug auf ein anderes Gleis geleitet werden. Beim Überfahren der Weiche kippte die Lok um, die Wagen verkeilten sich ineinander oder stürzten um. Bei der Brandbekämpfung mußte die Hausacher Feuerwehr ihre Löschmaßnahmen schon beim ersten Waggon einstellen, da die Wagen mit Munition und sonstigem Heeresbedarf nicht nur brannten, sondern auch explodierten. Dabei kamen der Lokführer, der Heizer und der Zugführer sowie ein Stabsintendant und zwei Soldaten ums Leben."
Das Haus Hasenfratz wurde als Handwerksbetrieb und Haushaltswarengeschaft vorübergehend neu erstellt. Später wurde es im Rahmen einer großen Sanierung wie die Gebäude Streit, Bürobedarf, Haus Reinhold mit dem ersten Hausacher "Selbstbedienungsladen" Dürrschnabel wieder dem großen Anwesen des Büromarktes Streit zugeordnet und komplett überbaut.
Text: Bernd Schmid
Quelle: Mittelbad. Presse